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Kleine Schwester vom Theater des Westens - der Delphi-Palast 

Wie zwei schöne Schwestern stehen sie am unteren Ende der Charlottenburger Kantstraße nebeneinander - das Theater des Westens und der Delphi-Filmpalast.

Beide sind trotz ihres betagten Alters aktiv ins Berliner Kulturleben eingebunden und haben im Laufe ihres steinernen Seins die Unterhaltungsgeschichte Berlins im 20. Jahrhundert entscheidend mit geprägt.

Die jüngere Schwester feierte vor zwei Jahren den 90. Geburtstag, die ältere schaut bereits 124 Jahre sehnsüchtig hinüber in Richtung Kurfürstendamm. Kinder ihrer Zeit, verdanken sie ihre Standhaftigkeit und Attraktivität ihrem umtriebigen Vater, dem Architekten Bernhard Sehring (1855-1941). Im Jahr 1896 entstand zunächst das Theater des Westens, das in den ersten 30 Jahren seines Bestehens wechselvolle Spielzeiten zwischen Operette, Oper und Sprechtheater erlebte, inklusive einer Zeit als Kabarett-Hotspot der 1920er Jahre mit Trudes Hesterbergs Wilder Bühne und Friedrich Hollaenders Tingeltangel.

Foto: Wikimedia Commons OTFW, Berlin • CC BY-SA 3.0

1928 kam dann die jüngere Schwester, der Delphi-Palast als Tanzlokal, auf die Welt und komplettierte die Ecke Fasanenstraße/Kantstraße nahe des Kurfürstendamms im Charlottenburger Vergnügungsquartier um eine weitere Attraktion. Zeitlebens sind die steinernen Schwestern eng verbunden. So betraten bis 1943 die Zuschauer das Theater des Westens über die Kaisertreppe vom Palmengarten aus, der vor dem Delphi-Palast angelegt war. Garten, Treppe und die historische Fassade des Hauses wurden 1997 restauriert. Im Delphi-Palast, dessen Name sicher die Exotikmode der Entstehungszeit bedachte, spielten ab 1928 angesagte Kapellen zum Tanz auf, wie z.B. die von Teddy Stauffer, Paul Godwin und Ilja Livschakoff.

Foto: Tanzorchester Bernard Etté / Wikimedia Commons Willy Pragher • CC BY 3.0

Nachts Swing, am Tage Tanztee, auch im üppig bepflanzten Garten zwischen Säulen im Antiken-Stil, der Delphi-Palast brummte Tag und Nacht. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus wurde im Delphi weiter Swing gespielt, an den Verboten der Reichsmusikkammer vorbei.

Foto: Wikimedia Commons

Voix Etouffées • CC BY-SA 3.0

Zeitkenner rechnen das auch dem Engagement der damaligen Besitzerin Elfriede Scheibel zu, die ihrerseits mit dem Bandleader Heinz Wehner verheiratet war, dessen Kapelle im Delphi auch englische Nummern spielte. Zumindest bis nach der Olympiade 1936 in Berlin, zu der auch ausländische Gäste zahlreich angereist und unter den Besuchern des Delphi waren. 1943 wurde der Betrieb kriegsbedingt eingestellt, das Haus wurde schwer beschädigt.

Doch 1947 begann eine neue Zeit, die sehr ramponierte Schwester (Dach eingestürzt, Haus ausgebrannt) fand zu neuen Aufgaben. 1947 bis 1949 wurde unter der Regie von Walter Jonigkeit (1907–2009), der das Haus für 25 Jahre gepachtet hatte, alles ungeschminkt und ohne Verzierungen wieder aufgebaut und der Delphi- Palast mit damals 1.000 Plätzen (heute sind es rund 700) wurde zum Kino.

Die noch bestehenden Schmucktrümmer der Fassade wurden im ehemaligen Garten vergraben. Berlins Bürgermeister Ernst Reuter half mit Zement und Baumaterial.

Jonigkeit hatte ein Händchen für PR-Maßnahmen. Zur Premiere von „Cleopatra“ in den 1960er Jahren engagierte er kostümierte Studenten, die mit Fackeln vor dem Delphi Spalier standen.

Bereits 1952 war das Kino Spielort der Berlinale, auch das aufkommende Fernsehen änderte nichts an dem festen Platz in der Kinolandschaft, den Walter Jonigkeit für den Delphi-Palast geschaffen hatte. 2007 konnte er seinen 100. Geburtstag im Delphi feiern mit einer Gratis-Fimvorführung für alle interessierten Berliner.

Gebäude und Grundstück gehören inzwischen dem Land Berlin. Im Keller befindet sich der Jazz- und Nightclub Quasimodo. Die kleine Schwester vom Theater des Westens ist auch mit 92 Jahren Tag und Nacht wach.

Redaktioneller Beitrag ohne Auftrag / keine bezahlte Werbung.

www.facebook.com/qulturberlin

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