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Ihr Instrument ist jetzt eine Singer: die Pianistin und Ex-Berlinerin Babette Hierholzer näht Masken


Sie gab Konzerte rund um den Erdball. Als künstlerische Leiterin eines Kammermusikfestivals und als Artistic Director des German Forum in New York war die deutsch-amerikanische Pianistin und Kulturmanagerin Babette Hierholzer eigentlich das ganze Jahr über unterwegs. Mit Corona musste auch sie zunächst eine künstlerische Vollbremsung hinlegen. Jetzt näht sie Schutzmasken mit Musik-Motiven.

Wie viele andere MusikerInnen in den USA sagte auch Babette Hierholzer alle geplanten Konzerte und Veranstaltungen mit Beginn der Pandemie im März 2020 ab. Doch als klar war, dass überall Schutzmasken fehlten, tauschte sie sehr schnell Noten und Klaviertasten gegen Stoffe, Garn und Nähmaschine und begann Ende März 2020, Schutzmasken zu produzieren.

Das war am Anfang eigentlich Selbstzweck, ich wollte schlicht Masken für uns haben, zuerst habe ich experimentiert, dann aber habe ich mir Schnittmuster aus dem Internet gesucht", berichtet die Pianistin. "Zuerst habe ich alle meine alten Stoffe aufgebraucht, alles, was mir in die Finger kam. Dann hat mich eine befreundete Sängerin, die Mezzo-Sopranistin Anna Tonna, angesprochen und wir haben eine Initiative auf die Beine gestellt. Sie hatte schöne Stoffe mit Opernmotiven und ich habe daraus die Masken genäht….“ 

Klares Votum für das Tragen von Schutzmasken

Hierholzers Botschaft ist klar: „Ich sehe die Masken als meinen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie an. Die Masken können Infektionen vorbeugen und wir können uns mit Maske freier bewegen als ohne“

Solange Bedarf und Notwendigkeit besteht, wird Babette weitermachen. „Inzwischen macht mir das Nähen auch solchen Spaß, dass ich gar nicht mehr aufhören will….

Produziert wird auf Babettes alter Nähmaschine. „Ja, die alte SINGER hatte ich viele Jahre, aber schon ewig nicht mehr benutzt und siehe da, sie tat es noch ganz zuverlässig. Wie bei Allem, je mehr man übt, desto besser wird das Resultat, jetzt gehen mir die Masken vergleichsweise schnell von der Hand.“ 

Bisher hat sie zusammen mit Anna Tonna rund 2.000 Stück auf ihrer alten Singer-Nähmaschine gefertigt und gegen Spenden verteilt. "Mit Anna habe ich Konzerte in USA und Spanien gegeben und wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr Programme zu Ehren von Pauline Garcia Viardot und Clara Schumann realisieren können“. 

Masken für einen guten Zweck

Beide haben viele ihrer Masken auch an die Navajo NationNation gespendet, „ihnen geht es im Augenblick extrem schlecht“, sagt Babette. „Viele von ihnen haben kein fließendes Wasser, was das obligatorische Händewaschen natürlich noch erschwert“. Mit dem Erlös des Maskenverkaufs wollen beide außerdem jungen Künstlern des German Forum in NYC helfen, die in der Pandemie ohne Auftritte und Einkommen sind. Babette ist seit 10 Jahren Artistic Director des gemeinnützigen Vereins. 

Maria Callas schützen nun ihre glücklichen Träger in der Pandemie. Das kam gut an. Befreundete Künstler in aller Welt baten um eines der Unikate. Bedingung ist ein Selfie für Babette, die dieses auf einer eigens eingerichteten Facebookseite teilt. 

Motive mit Musik

Das Besondere an den Masken ist neben der Schutzfunktion die Auswahl der Stoffe, die die Künstlerinnen verwenden: Sie zeigen Motive aus der Opern- bzw. Musikwelt. Komponistennamen, Noten oder Porträts von Stars wie Maria Callas schützen nun ihre glücklichen Träger in der Pandemie. Das kam gut an. Befreundete Künstler in aller Welt baten um eines der Unikate. Bedingung ist ein Selfie für Babette, die dieses auf einer eigens eingerichteten Facebookseite teilt: https://www.facebook.com/profile.php?id=113450713698914&ref=br_rs

Inzwischen hat Babette Hierholzer selbst Stoffe und Designs in Auftrag gegeben. „Die alte Singer-Nähmaschine hat jetzt noch eine jüngere Schwester dazu bekommen“, lacht Hierholzer. Sie und ihr Ehemann leben auf dem Land in der Nähe von Rhinebeck, ca. 2 Stunden nördlich von Manhattan und schützen sich ebenfalls mit den selbstgenähten Masken, sogar Hund Hierholzer trägt den Schnauzenschutz made by Hierholzer.

Sabbatical in der Pandemie

Im Rückblick war es zuerst völlig unvorstellbar, dass sich das Leben so grundlegend ändern würde. „Und ich fand es schwierig, zu entscheiden, welche Programm ich üben sollte, da man nicht übersehen konnte, wann wieder Konzerte stattfinden würden. Dann habe ich von einem auf den anderen Tag beschlossen: ich mache dieses Jahr ein Sabbatical. Das habe ich noch nie in meinem Leben gemacht, aber über diese Schiene fiel es mir leichter, mich nicht jeden Tag mit dem Problem der Unsicherheit auseinandersetzen zu müssen“. Inzwischen beschäftigt sich Babette auch mit Dingen, für die sie sonst keine Zeit fand, z.B. neues Repertoire zu erarbeiten, für das nicht unmittelbar eine Aufführungsmöglichkeit besteht. „Ich habe in diesem Sommer, da ich ja immer zuhause war, viel gepflanzt und angebaut (Pilze und Bambus) und unsere Tiere, die hier in der Wildnis frei leben, beobachten können (Schildkröten, Rehe, Eichhörnchen, Kolibris, Schmetterlinge und Insekten)“. Mit Freunden und Kollegen in der ganzen Welt ist sie durch das Internet verbunden. „Dass man mit Zoom, Facetime, WhatsApp, WeChat eigentlich dauernd in Kontakt ist, das ist in dieser Situation schon eine große Hilfe“.

Eine Karriere, die in Berlin begann

Babette, die seit fast 30 Jahren in den USA lebt, stammt aus Freiburg im Breisgau, wuchs in Berlin auf und bekam dort früh eine pianistische Ausbildung bei Elisabeth Dounias-Sindermann und später beim Scriabin Experten Wolfgang Saschowa u.a.. Mit 11 Jahren debütierte sie in der Berliner Philharmonie mit Mozarts Klavierkonzert KV 488. Inzwischen kann sie auf über 50 Jahre internationaler Konzerttätigkeit zurückblicken. Seit einigen Jahren auch zusammen mit Jürgen Appell als Duo Lontano. 


Eine Oper fürs Leben

Auch mit der Deutschen Oper in Berlin verbindet sie besondere Kindheits-Erinnerungen: „Da habe ich mit 9 Jahren meine erste Oper erlebt: „Der Freischütz“, das war ein Erlebnis, was mich fürs Leben geprägt hat. Ich habe alles geglaubt, die Geschichte mit Samiel und den Freikugeln, das war für mich völlig realistisch, und ich habe mich sehr vor der Wolfsschlucht gegruselt“, lacht Babette. Doch die Geschichte mit der Oper ging weiter: „Als Kind wollte ich Sängerin werden, als das aber nicht geklappt hat, hatte ich mit meiner Freundin einen Alternativplan ausgearbeitet, als wir so 15 oder 16 waren, nämlich: Statisten an der Deutschen Oper. Wenn nicht singend, dann halt wenigstens als Statisten auf der Opernbühne. Wir waren voller Vorfreude, als wir eine Einladung bekamen, bei der Ballet-Meisterin Tatjana Gsovsky vorzusprechen. Sie wimmelte uns aber schon im Flur vor dem Ballet-Saal ab mit der niederschmetternden Auskunft, dass sie “so was wie uns Kleine nicht brauchen könnte, sie bräuchte nur Soldaten”. 

Krisenmanagement

Das letzte Konzert vor dem Lock-Down spielte Babette Hierholzer ausgerechnet im Konzerthaus in Berlin. „Im Februar war ich noch in Berlin bei Jugend musiziert in der Jury. Als ich dann Ende Februar wieder nach New York zurückkam, ging es gerade mit der Pandemie los. Zuerst haben wir natürlich versucht, an jedem Konzert festzuhalten, dann wurde aber schnell klar, dass eines nach dem anderen abgesagt werden würde. Dann kam der Travel Bann, der europäische Musiker betraf, das hat uns natürlich beim German Forum einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Für die Zeit der Unsicherheit haben wir uns wie viele Konzertreihen dazu entschlossen, Konzerte virtuell abzuhalten. So planen wir für Frühjahr 2021 fünf Konzerte, bei denen wir junge Komponisten in Gesprächskonzerten vorstellen, bei denen das German Forum jeweils ein neues Stück in Auftrag gegeben hat".

Eingeladen sind:

Raphael Fusco


Dennoch sieht Babette Hierholzer die kostenlosen Live Streams auch mit einem weinenden Auge. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir unser Publikum 'bei der Stange' halten können. In einer Zeit, wo man sich jetzt fast alles umsonst aus dem Netz herunterladen kann. Das Publikum ist in gewisser Weise verwöhnt, und sieht wenig Zusammenhang zwischen free live streaming z.B. einer Oper von der MET und der Tatsache, dass die Musiker inzwischen längst entlassen sind. Ich bin skeptisch, ob der Großteil des Publikums wirklich bereit sein wird, wieder für Konzerte zu bezahlen, wenn es live Aufführungen gibt. Ich hoffe sehr, dass sich meine Skepsis nicht bewahrheitet“. 

Doch Babette Hierholzer blickt optimistisch in die Zukunft und will nach der Pandemie und ihrem Sabatical neue Projekte auf den Weg bringen. Ob die abgesagten Programme zum Beethoven-Jubiläum sich nachträglich realisieren lassen, weiß sie nicht. „Natürlich hatte ich für das Beethoven-Jahr besondere Projekte geplant, Kammermusik in verschiedensten Kombinationen, mit Cello, Klaviertrio, Klavier 4-händig, bekannte Beethoven Werke in ungewohnten Transkriptionen. Aber für Projekte, die weiter in der Zukunft liegen, hoffe ich sehr, dass sie verwirklicht werden können“. Was steht dann auf dem Programm? Biografische Musikabende, der Freundschaft von Pauline Viardot, Iwan Turgenjew und Clara Schumann gewidmet. Eine Biografie in Musik mit dem Titel

I am Carreño” -The Extraordinary Life of Teresa Carreño sowie Melodramen von Richard Strauss (Enoch Arden), Robert Schumann und Frank Liszt. Eigentlich Zeit, die Singer wieder gegen den Flügel tauschen.


Fotos: Babette Hierholzer,

Promotion-Foto: Irène Zandel


Redaktionelle Berichterstattung / keine bezahlte Werbung


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