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Berliner Theatergeschichte: Der Admiralspalast - knapp 150 Jahre ein luxuriöses Bad in der Menge

Aktualisiert: 4. Jan. 2020

Seit knapp 150 Jahren ist der imposante Admiralspalast in der Friedrichstraße gegenüber dem Bahnhof in Berlins Mitte Garant für großstädtische Unterhaltungsangebote. Seit seiner Entstehung ist er Anziehungspunkt urbaner Freizeitgestaltung und Bühnenvergnügens.

Das heute denkmalgeschützte Gebäude startete 1873 als öffentliches Badehaus, nachdem einige Jahre zuvor bei Bauarbeiten eine Sole-Quelle entdeckt worden war: Das Admiralsgartenbad, erbaut nach Entwürfen von Walter Kyllmann und Adolf Heyden, war eines der ersten und luxuriösesten öffentlichen Badehäuser im Kaiserreich.

1910 wurde das Nutzungskonzept geändert, dem ausgeprägten Unterhaltungsbedürfnis von großbürgerlichen Schichten wollte man mit einem neuen Vergnügungspalast nachkommen. Mit der Industrialisierung, erworbenem Reichtum und einem wachsenden Ballungszentrum Berlin entsprach das umfassende Angebot in dem neuen viergeschossigen Vergnügungstempel mit mehreren Bädern, Eisbahn, Kegelbahnen und Lichtspieltheater den Erwartungen in der aufstrebenden Metropole Berlin. Auf der Eisfläche wurden sogar Eisballette aufgeführt.

Die Forschung spricht von einer inneren Urbanisierung der Großstadt, die sich mit der Weimarer Zeit zumindest an der Oberfläche und für eine begrenzte gesellschaftliche Schicht Bahn brach. Und noch einmal wurde nach dem ersten Weltkrieg das Konzept des Vergnügungsortes in Berlins Mitte geändert. Nun lag der Schwerpunkt auf der theatralischen Komponente. Die Eisbahn wich einem Varieté-Theater mit über 1.000 Plätzen, das 1923 zu einer Revue-Bühne umgestaltet wurde.

Und dann kam er, der Theaterunternehmer und Revuemagier Herman Haller. Der Autor und Regisseur dachte international, er adaptierte Revuen und Showacts aus Paris, London und New York und erfand die tanzende Girlreihe (neu). Die internationalen Tiller-Girls wurden zu „den“ Berliner Haller-Girls. Als kluger Unternehmer verpasste er dem Admiralspalast eine Hausmarke, die seinen Namen trug: die Haller-Revue.

Mitarbeiter sollen ihn den „Admiral“ genannt haben.

Überliefert ist, dass Haller bei Proben mit einer Spielzeugpistole in den vorderen Reihen saß und es knallen ließ, wenn er sich Gehör verschaffen oder eine Probe unterbrechen wollte.

Haller setzte bei seinen Erfolgsproduktionen nicht auf dramatische Handlungen sondern reihte nach dem Cabaret-Prinzip unter einem übergeordneten Slogan Ausstattungsnummern, Gesang und Tanz zu einem abendfüllenden Programm aneinander und traf den Geschmack der Zeit. Bis zu 60 sogenannter Bilder hatten seine erfolgreichen Revuen mit Titeln wie „Drunter und drüber“, „Schön und schick“, „Wann und wo“ oder „An und aus“.

Mit dem aufkommenden Tonfilm verlagerten sich die Revuen in ein anderes Medium, Haller übergab 1931 den Theaterbetrieb an die Gebrüder Rotter, die die Bühne vergrößerten und bis 1933 betrieben, bevor sie in die Emigration gehen mussten. Im Hof des heutigen Admiralspalastes erinnert eine Berliner Gedenktafel an ihr Schicksal.

In den 1930er Jahren lag der Schwerpunkt des Repertoires auf Operetten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Admiralspalast mit dem Metropol-Theater in der Behrenstraße zusammengelegt, der heutigen Komischen Oper. Wie auch in anderen Berliner Theatern, ließ Joseph Goebbels die Innenausstattung um- und eine Führerloge einbauen. Johannes Heesters trat in der „Lustigen Witwe“ auf. Eine seltsame Begebenheit im Laufe der Geschichte und der Geschichte des Hauses:

Jahrzehnte später, im Jahr 2007, feierte er dort seinen 104. Geburtstag.

Ab September 1944 wurde der Admiralspalast zusammen mit den anderen Berliner Theatern auf Anordnung der NSDAP wegen Ausruf des „Totalen Krieges“ geschlossen.

Nach Kriegsende diente das unzerstörte Gebäude im Auftrag der sowjetischen Besatzer als Ort für politische und kulturelle Veranstaltungen.

In diesen bewegten Jahren prägten verschiedenartige außergewöhnliche Veranstaltungen das Profil des Hauses. Am 23. August 1945 eröffnete zunächst die Deutsche Staatsoper mit einem Konzert ihr Ausweichquartier im Admiralspalast. Bis 1955 fanden dort Opernaufführungen statt. 1946 gründete sich im Admiralspalast mit den Delegierten der SPD und der KPD die SED, die sozialistische Einheitspartei Deutschland. Das theatralische Unterfangen besiegelten Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck per Handschlag.

Am 2. Oktober 1947 spielte der Geiger Yehudi Menuhin dort ein nicht unumstrittenes Konzert mit der Staatskapelle Berlin unter Wilhelm Furtwängler, währenddessen u.a. auch das Vorspiel zu Wagners „Tristan und Isolde“ erklang.

Im März 1950 wurde die Akademie der Künste Ost im Admiralspalast gegründet. 1953 bekam der große Theatersaal im Vorderhaus mit dem politischen Kabarett „Die Distel“ einen weiteren Spielort an die Seite gestellt.

Nach Auszug der Staatsoper 1955, die in ihr wieder aufgebautes ursprüngliches Gebäude Unter den Linden zurückziehen konnte, zog das Metropol-Theater in den Admiralspalast und zeigte mit eigenem staatlichen Ensemble bis nach der Wende und zur Schließung 1997 Operetten und Musicals.

Der Magistrat von Ost-Berlin hatte zu DDR-Zeiten den Admiralspalast als „volkseigen“ betrachtet und ließ die noch immer als Eigner eingetragene ursprüngliche Admiralspalast AG enteignen. Nach der Wende wurden von der noch existierenden AG dagegen gerichtliche Schritte eingelegt.

Nach Sanierung und Verkauf durch den Berliner Senat an wechselnde Investoren wird das Haus seit 2011 von der Firma Mehr! Entertainment als Gastspielbühne betrieben. Und so schließt sich der Kreis. Nicht von ungefähr feierte hier vor kurzem die Revue "Berlin Berlin" Premiere und 100 Jahre "roaring twenties".

Foto Staatsoper im Admiralspalast: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Fotothek_df_pk_0000172_a_066_Porträt,_Ernst.jpg#mw-jump-to-license

Foto Eintrittskarte: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Mitte_Admiralspalast_Karte.jpg#mw-jump-to-license

Foto Admiralspalast um 1914: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_Admiralspalast_1914.jpg#mw-jump-to-license

Foto Putte an der Fassade: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_-_Admirals-Palast_(1).jpg#mw-jump-to-license

Foto Innenraum mit Eisbahn 1911: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Ahrends_1911_Der_Admiralspalast_in_Berlin.jpg#mw-jump-to-license

Fotos Innenraum, Aussenansicht, Gedenktafel, Schriftzug: Qultur Berlin

Redaktioneller Beitrag ohne Auftrag / keine bezahlte Werbung

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