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Paul-Abraham-Operette als musikalischer Reiseprospekt

„Viktoria und ihr Husar“ konzertante Aufführung am 23.12.2018 in der Komischen Oper Berlin.

Schaubühnenstar Gerd Wameling verführt in Paul Abrahams Operette von 1933 das Publikum als Reiseleiter durch eine konzertante Aufführung. Als amerikanischer Botschafter, der mit einer ungarischen Gräfin verheiratet ist und in Russland die USA vertritt zeic

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

hnet er am Reißbrett Paul Abrahams musikalische Operettenweltreise nach.

Das vor 85 Jahren in Berlin gefeierte Stück erweist sich als Musikalischer Reiseprospekt zwischen Puszta und Pagode, Sibirien und Broadway. Mit der Berliner Aufführung von Viktoria und ihr Husar im Metropol-Theater (im Haus der heutigen Komischen Oper Berlin) begann 1933 der kometenhafte internationale Aufstieg des Komponisten Paul Abraham, der mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten weniger als drei Jahre später abrupt unterbrochen werden sollte. Abraham gehörte zu den smarten Künstlerzirkeln, die die Weimarer Republik und Berlin zum wohligen Bühnenwahnsinn trieben, Babylon Berlin nahm seinen Ursprung in Kurt Weills, Robert Gilberts, Hermann Hallers, Max Reinhardts und vieler anderer Esprit.

Der wahnwitzige Ausgangspunkt dieser Operette mit den Texten von Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald liegt nicht nur im Libretto: „Geige rettet in Sibirien ungarischen Rittmeister vor der Erschießung, in St. Petersburg trifft er seine Ex-Verlobte aus dem gemeinsamen ungarischen Heimatdorf, die inzwischen mit dem Amerikanischen Botschafter in Russland verheiratet ist, diesen verlässt „reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ und mit dem Husaren „Pardon Madame“glücklich wird. Zwei buffoneske Nebenpaare sorgen für japanisch-französisches Operettenkolorit „Meine Mama ist aus Yokohama, aus Paris ist der Papa“.

Auch an die synkopierte jazzige Instrumentierung mussten sich die in Walzerseligkeit gebadeten Ohren der damaligen Lehàr-(Strauß- und Kalmàn-)Liebhaber erst gewöhnen. Flugzeug, Eisenbahn und Ozeanriesen betrieben die Globalisierung der Operette, deren Sehnsuchtsorte Lehàrs „Land des Lächelns“ oder das Paprikapathos-Ungarn von Kalmàn und Co. waren.

Paul Abraham rauschte hier als Express-Zug auf dem Überholgleis durchs Operettenwonderland. Mit an Bord ein gut gelauntes Ensemble und ein bestens gestimmter Chor sowie das swingende Orchester der Komischen Oper unter der musikalischen Leitung von Stefan Soltesz.

Als echte Showtalente mit frischen Stimmen erweisen sich die beiden Mitglieder des Opernstudios der Komischen Oper Berlin Marta Mika und Dániel Foki. Insbesondere der junge ungarische (!) Bariton Dániel Foki als Bursche des Rittmeisters beherrscht den Csárdás ebenso wie er augenzwinkernd dem Operetten-Affen Zucker gibt. Hier stiehlt der Bursche dem Rittmeister fast die Show. Den singt Daniel Prohaska mit dunklem Tenor und verhaltenem Temperament. Seine Bühnenpartnerin ist Vera-Lotte Böcker, als tragisch liebende Ungarin Viktoria zwischen zwei Männern, eine vornehme Dame mit Stummfilmstarblicken. Marta Mika als Kammerzofe Riquette ist herrlich direkt mit vollem Mezzosopran. Die Sopranistin Alma Sadé und Spieltenor Peter Renz, der noch aus Metropoltheaterzeiten in Berlins Musiktheatermitte die langjährigste Operettenerfahrung besitzt, sind ein herrlich albernes japanische-französisches Liebespaar. Sie meistern elegant das einfältigste und populärste Spaßduett des Stückes: „Mausi, süß warst du heute Nacht“. Der Text verlangt auch wohlgesonnensten Zuhörern Geduld ab, die jedoch musikalisch entgolten wird. Regisseur Barrie Kosky hat das klug gemacht, das champagnisierte Buffopaar verkichert das gesamte Duett, bezieht das Lachen in die Interpretation ein und entzieht es dem Lächerlichen, indem es gemeinsam mit dem Publikum darüber lacht.

Für den langjährigen Schaubühnenstar Gerd Wameling wird die Komische Oper zur Showbühne. Operettenerprobt seit der legendären „Im weißen Rößl“-Produktion mit den Geschwistern Pfister, ist er als Botschafter wie Maitre de Plaisir ein charmanter Reiseführer durch das Stück. Schaubühne trifft Metropoltheater, das schafft nur Hausherr Barrie Kosky.

Noch einmal am 30.12.2018, 19 Uhr.

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