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Unter dem Titel Lise Meitner - Genie im Schatten der Nobelpreisträger präsentieren die Schauspielerin Bettina Schinko und die Regisseurin Bettina Lohmeyer ab 6. März im Theaterhaus Berlin ein Solo-Stück über die Pionierin der theoretischen Physik. Doch wie nähert man sich einer Ausnahmewissenschaftlerin als Bühnenfigur? Biografien auf der Bühne künstlerisch zu durchdringen ist der Schlüssel zum Verständnis eines Lebens zwischen Forschergeist und moralischer Verantwortung für die Folgen der Erkenntnis.
Seit Friedrich Dürrenmatts Theaterstück Die Physiker 1961 steht die Verantwortung der Wissenschaft für die Wirkungen ihrer Erkenntnisse künstlerisch im Raum. Und alles, was von der Person Lise Meitners überliefert ist, spitzt sich auf genau jene Frage zu.
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Foto: Lise Meitner und Otto Hahn 1912
Deshalb unternimmt Bettina Schinko in ihrem Solo-Abend nicht nur eine Zeitreise von Wien im Jahr 1901 über Berlin, Stockholm und Washington ins Nachkriegs-Europa, sondern geht der Frage nach, was Lise Meitner bewegte. Politik und Krieg, ein Leben im Exil, brachten sie nicht davon ab, bis an ihr Lebensende nach dem Warum zu fragen und die Welt in ihrem innersten Kern verstehen zu wollen.
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Skulptur Lise Meitners Unter den Linden in Berlin
Bettina Schinko zeigt die Physikerin in verschiedenen Lebensphasen. Dabei dienen die physikalischen Zusammenhänge als Katalysator für eine Lebensfrage: den Konflikt zwischen ihrer Neugierde und ihrer Verantwortung als Wegbereiterin der Atombombe wider Willen. Bettina Lohmeyer verspricht eine kompakte Inszenierung mit überraschenden Wechseln und tiefgängigen Erkenntnissen, die die Physikerin Lise Meitner während ihres langen Lebens im Kontext ihrer Zeit lebendig werden lässt. Denn bei ihrer Forschung stieß Lise Meitner auf bahnbrechende Erkenntnisse, die unsere Welt veränderten. Tatsächlich beschrieb und berechnete sie die erste Kernspaltung der Welt.
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Lise Meitner mit Studentinnen 1959
Doch wer war Lise Meitner? Über den Menschen ist wenig Persönliches bekannt. Neben der Arbeit ist die lebenslange Verbindung mit ihrem Kollegen Otto Hahn eine der Konstanten in ihrem Leben. Die gebürtige Österreicherin und spätere Kernphysikerin Lise Meitner (1878 - 1968) war die zweite Frau, die an der Akademie der Wissenschaften in Berlin studieren durfte. Erst 1909 öffneten sich die Berliner Forschungsinstitutionen offiziell für Frauen. Zusammen mit dem Chemiker Otto Hahn forschte sie zunächst als „unbezahlter Gast“ in Plancks Arbeitsraum an der Universität in Berlin. Im ersten Weltkrieg befürwortete sie zunächst Hahns Erfolge bei der Entwicklung von Chlorgas als Kampfstoff, der mit grausamer Wirkung von den Deutschen verwendet wurde. Nach einem Einsatz als Krankenschwester an der Front änderte sich jedoch ihre Haltung und fortan legte sie ihr Augenmerk auch auf ethisch vertretbare Folgen ihrer Forschung.
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Gedenktafel Otto Hahn Thielallee 63, Berlin-Dahlem
Nach dem ersten Weltkrieg öffnete sich die von Hahn aufgebaute Forschungsabteilung Radioaktivität des neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem (heute Hahn-Meitner-Bau an der Thielallee, Institut der Freien Universität Berlin) für Lise Meitner.
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Hahn-Meitner-Bau, Freie Universität Berlin, Thielallee 63
1926 übernahm sie eine Professur für experimentelle Kernphysik an der Berliner Universität, war Deutschlands erste Professorin für Physik. In den 1920er und 30er Jahren trat sie selbstverständlich neben Albert Einstein, Marie Curie, Max Planck und Otto Hahn auf. 1933 wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen. Sie forschte weiter, bis es 1938 gelang mit Hilfe Hahns, der in Deutschland blieb, und anderer ins Exil nach Schweden auszureisen.
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Gedenktafel für Lise Meitner in Berlin
Meitner blieb in Kontakt mit Hahn und berechnete und beschrieb von Schweden aus die Entdeckung der Kernspaltung am 17. Dezember 1938 durch Otto Hahn und seine Kollegen in Berlin. Ihr Verdienst daran ist nicht unerheblich: sie entdeckte die durch die Spaltung freigesetzte Energie, auf die Hahn kein Augenmerk gelegt hatte. 1939 veröffentlichte Lise Meitner zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung.
Die überzeugte Pazifistin verwehrte sich allen Vereinnahmungen ihrer Forschungsarbeit durch militärische oder andere Zwecke und weigerte sich während des Zweiten Weltkrieges, Forschungsaufträge für den Bau einer Atombombe anzunehmen. „Das ist in meinen Augen gerade der große moralische Wert der naturwissenschaftlichen Ausbildung, daß wir lernen müssen, Ehrfurcht vor der Wahrheit zu haben, gleichgültig, ob sie mit unseren Wünschen oder vorgefaßten Meinungen übereinstimmt oder nicht“.
Lise Meitner übernahm Professuren und wurde in Amerika als „Woman of the Year“ gefeiert, doch trotz 46 Nominierungen wurde ihr der Nobel-Preis nie verliehen.
Bis zu ihrem Tod machte sie sich für eine friedliche Nutzung der Kernspaltung stark. „Ich liebe Physik, ich kann sie mir schwer aus meinem Leben wegdenken. Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt. Und ich, die ich so sehr an schlechtem Gewissen leide, bin Physikerin ohne jedes böse Gewissen".
Der „Hahn-Meitner-Bau der Freien Universität“ an der Thielallee 63 in Berlin-Dahlem, wo Lise Meitner ihre Forschungen begann, ist heute Teil des Instituts für Chemie und Biochemie der Freien Universität. Dort erinnern zwei Gedenktafeln an ihr Schaffen.
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Lise Meitner - Genie im Schatten der Nobelpreisträger
Premiere: 6. März 2020, 20 Uhr, weitere Vorstellungen: 7. März, 20 Uhr und 8. März, 18 Uhr. Ort: Theaterhaus Berlin, Haus C, Wallstraße 32, 10179 Berlin.
Ticketreservierung: 030 - 2804 1967.
https://www.theaterhaus-berlin.com/tickets
Produktion: Society Players / theater hautnah e.V. Produktion Lise Meitner: Bettina Schinko
Regie: Bettina Lohmeyer Regieassistenz: Stephanie Manz
Musik: Carlos Prado
Bühne: Bettina Schinko und Fred Rupp
Fachberatung Physik: Dr. Christine Wassilew, Martin Wähmer
Kostümberatung: Anne Becker
Redaktionelle Berichterstattung ohne Auftrag / keine bezahlte Werbung.
Foto Plakat der Produktion: Dirk Lässig.
Weitere Fotos von facebook.com/qulturberlin
Foto Meitner und Hahn 1912:
https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Hahn_Meitner_1912.jpg#mw-jump-to-license
Foto Meitner mit Studentinnen 1959:
https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Chemist_Lise_Meitner_with_students.jpg#mw-jump-to-license
Foto Gedenktafel:
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Foto Skulptur:
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