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MODERNE FRAU: Hommage an die Frauen der "goldenen Zwanziger Jahre"

Aktualisiert: 25. Feb. 2019

Glamour Girls, die kanadische Jazz-Sängerin Adi Braun spürt in ihrer jazz-musikalischen Hommage MODERNE FRAU den stilbildenden Frauen der Weimarer Republik nach. Europa-Premiere ist am 7. März im Accoustic Music & Jazz Club b-flat in Berlin. Weitere Aufführungen sind beim Kurt Weill Fest in Dessau (8. März), und im brandenburgischen Zehdenick (10. März) geplant.


14 Jahre war die Weimarer Republik Bühne einer liberalen, exzessiven, strahlenden und künstlerisch explodierenden, modernen Zeit – immer am Rand des Vulkans! Bis heute spinnen diese Jahre ein enormes assoziatives Frauenbild in unsere Gegenwart. Adi Braun greift den Frauen-Typus der Weimarer Republik auf und hält ihn uns als Spiegel vor. Der Vulkan rumort wieder...

Das spannend arrangierte, durchdachte Programm ist 2017 auf CD bei Blue Rider Records erschienen und erreichte auf Anhieb nicht nur in Kanada eine breite Zuhörerschaft. Die Bühnenfassung präsentiert Adi Braun am 7., 8. und 10. März als Europa-Premiere live. Das jazz-musikalischen Kabarettprogramm ist eine Hommage an die stilbildenden Frauen der Weimarer Zeit, in der Adi Braun auch verrät, warum sie als Kanadierin ausgerechnet Berliner Chansonetten wie Trude Hesterberg, Margo Lion oder Kate Kühl bewundert. Titel wie „Surabaya Johnny“ oder „Mackie Messer“ sind um Original-Kompositionen von Adi Braun ergänzt. Zusammen mit ihren Musikern Tom King, Piano, Robin Draganic, Bass, und Tilman Person, Drums, interpretiert die Kanadierin mit deutschen Wurzeln Songs von Kurt Weill, Robert Gilbert, Mischa Spoliansky oder Franz Grothe neu. Neben den Songs von Weill, Spoliansky und Franz Grothe präsentiert Adi Braun auch Eigenkompositionen, die das Frauen-Bild der „Roaring Twenties“ mit kritischem Augenzwinkern hinterfragen. So z. B. im biografischen Song „Josephine“, der der legendären Josephine Baker gewidmet ist.

Adi Braun spürt der musikalischen Unterhaltungskultur der Weimarer Republik und ihren großartigen Protagonistinnen von Josephine Baker bis Lotte Lenya nach. Zum musikalischen „Ich“ ihrer Betrachtung macht Adi Braun einen damals neuen Frauen-Typus: „Meine CD MODERNE FRAU erzählt so eine Art Geschichte vom Standpunkt einer modernen Frau der Weimarer Zeit, die sich zwar an ihren Errungenschaften erfreut, sich aber völlig bewusst ist, dass ihre Arbeit noch nicht vollendet ist. Ich stelle viele Frauenbilder und Typen dieser Zeit vor...von dem emanzipierten 'modern girl', das einen Job im Büro hat, Auto fährt und einen Bubikopf trägt, bis zur Prostituierten, die dank Weill und Brecht nicht namenlos ist, sondern als Nana ihr schwieriges Leben beschreibt.“


Die vermeintlich goldene Zeit der Weimarer Republik ist in unserer Zeit präsent wie nie. Nicht erst seit der erfolgreichen Verfilmung von Volker Kutschers Romanen in der TV-Serie „Babylon Berlin“ und den legendären Bohème Sauvage Parties ist der Begriff der „Zwanziger Jahre“ stets mit unbestimmter rückwärtsgewandter Sehnsucht besetzt. Was fasziniert uns bis heute, was ist (wieder) so modern daran? Für Adi Braun liegt das auf der Hand. Sie sucht stets einen Bezug zur Gegenwart: „Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen sozialpolitischen Lage, wo Hass und fehlender Respekt anderen gegenüber manchmal auch noch ermutigt wird. Die Welt der freien Kunst ermöglicht es uns, darauf aufmerksam zu werden und gerade deshalb sind Songs sehr gute Träger dieser Nachricht.“



In ihren eigenen Songs – MODERNE FRAU, JOSEPHINE, GESTERN – versucht sie, den einzigartigen Stil der großen Komponisten und Dichter der Weimarer Epoche aufzugreifen und Themen und Personen dieser Zeit weiter zu führen. Doch wie „übersetzt“ man die Musik dieser Zeit ins Heute? „In musikalischer Hinsicht trete ich meist mit einem Jazz Trio oder Quintett auf. Meine Notenblätter sind im Stil des Jazz geschrieben und geben allen Musikern sehr viel Freiheit und Improvisationsraum. Jazz ist eine wirklich fluide und biegsame Kunstform, und meiner Meinung nach sehr dazu geeignet diese “alte” Musik neu zu gestalten.“


Adi Braun präsentiert jedoch keine nostalgischen Rückwärtsbetrachtung der legendären sogenannten „goldenen Zwanziger Jahre“, die in Wirklichkeit nur für eine kleine elitäre Gruppe golden gewesen sein mögen. Stattdessen gilt ihr musikalisch-kabarettistisches Interesse den Millenials des vorvergangenen Jahrhunderts. Frauen, die um die Wende des 20. Jahrhunderts geboren wurden und in der kurzen nur 15 Jahre währenden Zeitspanne der Weimarer Republik (1918-1933) eine neue Lebensweise erprobten, dabei stilbildend wirkten: „Vor einigen Jahren unterrichtete ich am Musik Konservatorium in Toronto einen Kurs der sich “THE HISTORY OF EUROPEAN CABARET” nannte“, erinnert sie sich. „Natürlich stand dabei auch auf das wichtige Kapitel der Weimarer Jahre im Fokus, wo ich auf viele höchst interessante Sänger und Sängerinnen stieß, die mir bis dahin noch unbekannt waren. Eines Morgens erwachte ich aus einem Traum, in dem mir diese Künstler erschienen. Im Traum traten sie aus dem Hintergrund hervor und flüsterten mir ins Ohr “Vergesst uns nicht”. Das war für mich ein entscheidender Wendepunkt und ich begann sofort das Thema weiter zu erforschen.“


Sie stieß auf Sängerinnen, Texterinnen und frühen Kulturmanagerinnen wie Blandine Ebinger, Margo Lion, Trude Hesterberg, Claire Waldoff oder eben Lotte Lenya. Statt Nostalgie hat Braun dabei handfeste Realität im Blick und bezieht sich auf die ausgeprägte Kabarettszene dieser Zeit, wo Gesellschaftskritik an der Tagesordnung war und Frauen nicht nur als Interpretinnen agierten, sondern auch als Theatermanagerin wie z. B.Trude Hesterberg in ihrer Wilden Bühne im Keller des Theaters des Westens: „Ich war sofort von den unglaublichen Chansonetten und Diseusen des Weimarer Kabaretts angetan und konzentrierte mich auf Ihre Aufführungspraxis, die mich als Sängerin selbst total faszinierte. Ich bewunderte ihre musikalische und dramatische Darstellungskunst und empfand es fast so, als hätten diese Damen einen völlig neuen Gesangsstil entwickelt. Einen Stil, dessen Zukunft zwar in dem Bereich der Operette und des Theaters lag, der aber auch schon Spuren des Jazz und 'freier' moderner Musik enthielt. Je mehr ich hinhörte, desto mehr wuchs in mir ein Verlangen, meinen eigenen Stil als Jazz und Cabaret-Chansonniere weiter zu entwickeln.“ So entstand die Idee zum Programm MODERNE FRAU, deren Patinnen „die furchtlosen und überaus kreativen Sängerinnen der Weimarer Zeit“ waren", wie Adi Braun schwärmt. "Diese Künstlerinnen waren ungemein wichtige Sängerinnen, die der Weltlage und 'female condition' eine ganz besondere Stimme gaben. Die Songs der damaligen Zeit besprechen Themen, die auch heute noch sehr aktuell sind: es geht um Gleichberechtigung, um menschliches Mitgefühl, um Emanzipation und um das Verlangen die Person zu lieben, zu der man sich hingezogen fühlt – also um eine ungehinderte Liebe. All dies ist heute leider immer noch nicht selbstverständlich.“


Adi Brauns biografischer Song JOSEPHINE zum Beispiel ist der großen Entertainerin Josephine Baker gewidmet, die als junge farbige Sängerin in ihrem eigenen Land diskriminiert war und in der kurzen liberalen Sequenz im Nachkriegs-Europa der 1920er Jahre zum Star und Rollenvorbild junger Frauen wurde.



Doch das Programm MODERNE FRAU beleuchtet ganz unterschiedliche Aspekte des Lebens und stellt nicht nur Frauenbiographien ins Rampenlicht. Kurt Weills Song „Buddy on the Nightshift“ z. B. zeigt Männer und Frauen, die in den amerikanischen Rüstungsfabriken in den 1940er Jahren Schichtarbeit leisteten. Denn bereits auch im ersten Weltkrieg waren auch Frauen zur Waffenherstellung herangezogen worden. Besonders am Herzen liegt der Interpretin das ebenfalls von Kurt Weill komponierte Antikriegs-Lied “Und was bekam des Soldaten Weib?” aus dem Kriegsjahr (1942). „Offensichtlich konnte ich nicht alle die Frauen vergessen, die ihre Männer, Väter, Brüder und Freunde im Krieg verloren hatten. Ob das im ersten Weltkrieg oder im zweiten Weltkrieg war, ist für mich kein entscheidender Punkt, denn Verlust ist Verlust."






Auch dem Auftritt beim rennomierten Musikfestival Kurt-Weill-Fest in Dessau, der Geburtsstadt von Kurt Weill, fiebert Adi Braun entgegen. „In Kurt Weill bin ich schon seit vielen Jahren verliebt“, lacht Adi Braun. Es fing schon an, als ich noch als klassische Sängerin auftrat. Aber irgendwie kam es mir damals vor, als ob ich diese Musik noch nicht völlig authentisch und persönlich darbieten konnte. Als ich dann in meinen Dreißigern zur Jazz-Musik wechselte, hatte ich den Mut, meine eigenen musikalischen Ideen zu verwirklichen. Weills Musik ist einzigartig. Es gibt schöne geprägte Melodien und interessante Rhythmen und durch seine Zusammenarbeit mit so vielen bedeutenden Dichtern (in Deutschland als auch in der USA) ergaben sich Songs, die man im klassischen Stil von Schubert und Schumann erleben kann: Worte und Musik in engster Verbindung. Jede dieser Kunstformen dient der anderen ohne ihr in den Weg zu geraten.“

Weills Frauenfiguren aller Schaffensphasen wie die Seeräuberjenny in der "Dreigroschenoper" oder später Liza Elliot in dem Broadway-Musical "Lady in the Dark" sind allesamt starke moderne Frauen ihrer Zeit. Für Adi Braun sind sie typische Rollenbilder dieser Zeit:

„Die Zwanziger und auch das Jahrzehnt davor waren eine ungemein wichtige Zeit für Deutsche Frauen. Sie erhielten im Jahre 1919 das Wahlrecht und waren somit, vor allem nach dem ersten Weltkrieg, auch im sozialpolitischen Bereich viel sichtbarer. Die moderne Frau hatte auch einen Job, war nicht nur Hausfrau, und konnte auch zum Beispiel ein Auto besitzen - dies waren zur damaligen Zeit wie auch heute wichtige Elemente einer Emanzipation.“


Für die Zukunft träumt Adi Braun von einem Musical, das die Thematik in einer Bühnenhandlung weiterentwickelt. „Die Welt der Cabarets in den Zwanzigern war dadurch geprägt, dass man sowohl typische “lovesongs” und leichte Komödie vorführen konnte, als auch Songs und Revuen mit sehr zynischem Inhalt. Für jeden musikalischen Geschmack gab es eine Darbietung die Anklang fand“, sagt sie. „Ich werde auch einen neuen Song vorstellen, der von einer Art “Liebesaffäre” zwischen einem altbekannten Diktator und seinem Mikrofon handelt. Diesen Song kann man auch heute gut verstehen, wenn man an die fast suchtvolle Beziehung zu “social media” eines gegenwärtigen Diktators denkt“.


Aufführungen MODERNE FRAU:

  • 7. März 2019, 21.00 Uhr, b-flat Jazz Club Berlin, Dircksenstr. 40, 10119 Berlin, Tel. 030 2833123, www.b-flat-berlin.de

  • 8. März Kurt Weill Fest Dessau, 19.30 Uhr, Marienkirche, Schlossplatz 3, 06844 Dessau, Tel. 0341-14 990 900, www.kurt-weill-fest.de

  • 10. März 2019, 16 Uhr in der Klosterscheune Zehdenick, Am Kloster 1, 16792 Zehdenick, Tel. 0 33 07 - 310 777


Es lohnt ein Blick auf die website von Adi Braun – MODERNE FRAU im angefügten Webshop: www.adibraun.com

 

Adi Braun wurde in Toronto in eine Künstlerfamilie hineingeboren und wuchs in Europa auf. Ihre Eltern waren Opernsänger, ihr Vater Victor Braun war ein bekannter kanadischer Bariton. Adi Braun studierte am Royal Conservatory of Music der University of Toronto’s Faculty of Music klassischen Gesang. Nach Auftritten in Opern und Operetten machte sie sich als Jazzsängerin und musikalische Kabarettistin einen Namen. Neben ihrer Bühnen- und Konzerttätigkeit ist sie Dozentin für Liedgesang am Royal Conservatory of Music und als deutscher Sprachcoach für die Canadian Opera Company tätig.


CD Moderne Frau, 2017 Blue Rider Records

Recorded at Kühl Muzik Studios in Toronto, Recording engineer – Gary Honess


Adi Braun ist in Europa vertreten von Marita Goga music arts conception, www.goga-music-arts.de in Berlin


Fotonachweis: Jodi Thibodeau

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