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Kanadischer „Schatz“ für Georg Kolbe Museum – Werke, Briefe, Fotos aus dem Nachlass


Kürzlich ist im Berliner Georg Kolbe Museum ein in kunstgeschichtlicher Hinsicht wirklicher Schatz eingetroffen. In vielen Kisten wurde der umfangreiche Nachlass Maria von Tiesenhausens, der Enkelin von Georg Kolbe, ins Museum an der Sensburger Allee in Westend gebracht. Es handelt sich nach Informationen der Museumsleitung um einen für die deutsche Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts bedeutenden Nachlassfund, der in seinem Ausmaß nahezu einzigartig ist.



Über 3.000 Briefe von und an Georg Kolbe (darunter zahlreiche Korrespondenzen mit Personen der Zeitgeschichte, Institutionen und dem Kunsthandel), 23 Notizhefte und Taschenkalender aus den Jahren 1933-47, 67 Akten, 50 Fotoalben, über 3.000 Einzelfotografien (Werke, Personen und heutiger Museumsbau), sowie über 100 originale Zeichnungen und Aquarelle, 40 druckgrafische Blätter und 10 Skulpturen von Georg Kolbe und umfassende Archivmaterialien, ein Aquarell von Karl Schmidt-Rottluff und ein expressionistisches Ölbild sollen in den nächsten fünf Jahren aufgearbeitet und durch Ausstellungen, Bücher und digital publiziert werden.

Zum Bestand gehören Korrespondenzen mit den Protagonisten des Kunsthandels aus der Zwischenkriegszeit (u.a. unbekannte Briefe von Alfred Flechtheim oder der Galerie Vömel), die vertieften Aufschluss über die Kunstmarktpolitik dieser Jahre geben werden. Des Weiteren finden sich die umfangreichen privaten Korrespondenzen zwischen Kolbe und seiner Frau Benjamine sowie mit seinem Bruder Rudolf, der als Architekt in Dresden beschäftigt war. Zahlreiche Briefe von Künstlerkolleg*innen (u.a. Max Pechstein, Else Lasker-Schüler) und Korrespondenzen mit Institutionen (u.a. Städel Frankfurt), Sammler*innen (u.a. Rockefeller, New York) und bedeutenden Kunsthistoriker*innen bereichern den komplexen Bestand. Bereits zu Lebzeiten Maria von Tiesenhausens wurden ein Gemälde Max Beckmanns und eine Skulptur Aristide Maillols, sowie zahlreiche Kleinskulpturen des Künstlers übergeben, die nun Teil dieser sensationellen Nachlasserweiterung sind.

Der Bildhauer Georg Kolbe (1877-1947) gehört zu den bedeutendsten Künstlern in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Testamentarisch verfügte er, dass sein dokumentarischer und künstlerischer Nachlass sowie sein Atelierhaus von einer Stiftung verwaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das 1950 im vormaligen Atelier des Künstlers eröffnete Georg Kolbe Museum folgt diesem Wunsch im Rahmen von Ausstellungen, Publikationen sowie der wissenschaftlichen Aufarbeitung.



Kolbe gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Kunstszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine von Auguste Rodin und dem modernen Ausdruckstanz beeinflusste künstlerische Auffassung des menschlichen Körpers hat die Bildhauerei in Deutschland maßgeblich verändert. Außerdem war Kolbe erfolgreich in der Vermarktung seiner eigenen Kunstwerke und engagierte sich in Institutionen übergreifenden Gremien.

Da das Verhältnis der Kolbe-Enkelin zum Museum über Jahrzehnte schwierig war, bedurfte es langer diplomatischer Verhandlungen und Reisen der seit 2013 amtierenden Museumsdirektorin Dr. Julia Wallner mit der in Kanada beheimateten letzten lebenden Enkelin des Bildhauers notwendig um diesen Schatz für die Nachwelt zu sichern.

Der bisher dem Museum fehlende Teil des Nachlasses ist von Maria von Tiesenhausen im Laufe der 1970er-Jahre nach Vancouver, Kanada, verbracht worden, wo sie seit 1950 lebte. Von Tiesenhausen leitete von 1969 bis 1978 das Museum und erarbeitete eine Edition ausgewählter Briefe des Künstlers (erschienen 1987). Erst nach ihrem Ableben 2019 und einer Sichtung ihres Nachlasses zeigte sich die ungeheure Menge an Dokumenten und Werken des Künstlers, die sich bei ihr in Vancouver befunden hatten, rechtmäßig jedoch der Georg Kolbe Stiftung gehören. Mit Überführung nach Deutschland wird der Nachlass erstmals seit über 50 Jahren wieder vollständig sein.


Julia Wallner hebt die Bedeutung des jetzt in Berlin eingetroffenen Nachlasses hervor: „Die in Kanada gefundenen Objekte (Korrespondenzen, Fotografien, Skulpturen, Zeichnungen, Grafiken) sind ein wesentlicher Teil von Kolbes Nachlass und übersteigen quantitativ die bisher im Kolbe Museum vorhandene Menge an Dokumenten. Neben den ca. 3.000 Briefen an und von Georg Kolbe sind darin Notizhefte, Skizzen, Taschenkalender und offizielle Dokumente enthalten. Zeitlich umfassen die Dokumente die Jahre von ca. 1900-1947 und damit für die deutsche und europäische Geschichte entscheidende Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.“



Eine erste Sichtung des Nachlasses in Vancouver brachte bereits zahlreiche Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus zum Vorschein. Georg Kolbe wird von Teilen der Forschung bis heute als ambivalente Figur dieser Zeit wahrgenommen.

Die bisher bekannten Materialien konnten jedoch nur bedingt Aufschluss über sein Handeln in diesen Jahren geben. Die Kunsthistorikerin ist sicher, dass die neuen Funde ein deutlicheres Bild des Künstlers im Nationalsozialismus zeichnen lassen werden, sowohl, was sein kunstpolitisches Engagement als auch sein erfolgreiches Agieren auf dem Kunstmarkt betreffen. Rückschlüsse erhofft sich die Museumsleitung im Umkehrschluss auch auf grundsätzliche Funktionsweisen dieser bedeutsamen kunsthistorischen Bereiche. So eröffnet die Untersuchung des Nachlasses Kolbes auch neue Forschungsfelder der modernen Kunst- und Zeitgeschichte. Insbesondere die Unterlagen zum Kunsthandel werden für die Provenienzforschung von erheblicher Bedeutung sein.


www.georg-kolbe-museum.de


Derzeit zeigt das Georg Kolbe Museum noch bis zum 23. August 2020 die Ausstellung herman de vries. how green is the grass?


Georg Kolbe Museum – Sensburger Allee 25 – 14055 Berlin, tgl. 10-18 Uhr. Von 10 bis 11 Uhr ist der Besuch der Risikogruppe vorbehalten und es dürfen sich maximal fünf Besucher*innen gleichzeitig im Museum aufhalten.

Für die übrige Öffnungszeit dürfen sich maximal 15 Besucher*innen gleichzeitig im Museum aufhalten.


Redaktioneller Beitrag / keine bezahlte Werbung von facebook.com/qulturberlin


Fotonachweise: Pressestelle / Fotos N. Hausser und Archiv Georg Kolbe Museum




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