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Märkischer Sandboden gibt NS- Kunstwerke frei: Breker-Skulpturen in Dahlemer Museumsgarten gefunden

Aktualisiert: 23. Sept. 2020


75 Jahre nach Kriegsende birgt der Berliner Boden nicht nur mit zahlreichen Weltkriegsbomben noch immer explosives Material, sondern auch mit zufälligen Kunstfunden aus der NS-Zeit. Im Garten des seit 2015 am Grunewalder Käuzchensteig ansässigen Kunsthauses Dahlem wurden im August 2020 bei Umbauarbeiten zwei künstlerische Zufallsfunde gemacht, deren Provenienz durchaus Sprengkraft hat.


Zwei Marmorplastiken des von den Nationalsozialisten hochgeschätzten und hochproduktiven Bildhauers Arno Breker (1900-1991) wurden ausgegraben. Eine davon ist bekannt und geht auf eine frühe Begegnung Brekers in Paris mit einem jungen Mann aus dem künstlerischen Umfeld von Jean Cocteau zurück.



Breker, der in den 1920er Jahren in Paris lebte und arbeitete und dort in der kulturellen Szene u.a. mit Jean Renoir, Jean Cocteau oder Man Ray verbunden war,

wurde zu dieser Zeit vom jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim unter Vertrag genommen. Er fertigte Porträtbüsten von Otto Dix und Friedrich Ebert und kehrte 1934 nach Deutschland zurück. Nach anfänglichen Vorbehalten, erhoben ihn die Nationalsozialisten zu einer Art Staatskünstler, ein Status, den Breker bereitwillig akzeptierte und auszufüllen wusste. Seine Werke entsprachen fortan der NS-Propaganda, in Stein gehauene Weltanschauung, wie sie sich mit im Rahmen der Olympiade 1936 entstandenen, an der Antike orientierten, Skulpturen zeigte. Breker trat der NSDAP bei und fand sogar kurz vor dem Zusammenbruch des NS-Regimes noch Aufnahme in die sogenannte "Gottbegnadeten-Liste" der untentbehrlichen Künstler, die nicht zu den letzten Kriegsanstrengungen herangezogen werden sollten.

Als Mitläufer eingestuft, erhielt Breker nach dem Krieg kaum öffentliche Aufträge, arbeitete jedoch im privaten Auftrag.



Das heutige Kunsthaus Dahlem, das sich als Museum der Nachkriegsmoderne und Ort für die Auseinandersetzung von Kunst und Politik, die Aufarbeitung von NS-Geschichte und der Geschichte verfemter KünstlerInnen versteht, war ab 1939 bis 1942 als offizielles Atelier Brekers errichtet worden, bevor es durch Kriegseinwirkung schon 1943 teilweise zerstört wurde.

Nach dem Krieg bezogen sowjetische Besatzungstruppen für einige Wochen das Gebäude, ab Sommer 1945 diente es für ein Jahr als Büro der US-Militärverwaltung. Die

noch auf dem Gelände befindlichen Werke Brekers wurden 1946 in die nahe gelegene Sammelstelle des Völkerkunde-Museums in Dahlem überführt.


Kennt man diese Biografie Brekers und die Historie des Fundortes, ist das Vergraben der beiden Marmorplastiken Brekers umso rätselhafter und noch nicht aufgelöst. Zumal eben nur ein Werk bekannt und in das Schaffen des Bildhauers einzuordnen ist: die verschollene Skulptur "Romanichel" von 1940. Aller Wahrscheinlichkeit nach

entstand das Werk in Brekers Atelier am Käuzchensteig. Es gilt als eines der wichtigsten Beispiele von Brekers Porträttorsi. Bei dem Dargestellten handelt es sich um einen jungen Sinto oder Rom, dessen Name nicht überliefert ist. Breker porträtierte ihn mehrfach, eine erste Fassung entstand Ende der 1920er Jahre. Über seine Begegnung mit dem jungen Mann schrieb er: »Sein Kopf faszinierte mich sofort, noch am gleichen Tag begannen die Sitzungen. Nicht weniger als sieben Büsten modellierte ich nach ihm. (...) Unter meinen Pariser Freunden fand sich ein Filmoperateur, der zwei dieser neuen Büsten in meinem Atelier sah. Begeistert vom seltsamen Ausdruck, der an Amenophis erinnerte, holte man das Modell, um Probeaufnahmen zu machen.«



Die Zuordnung des zweiten

Werks sowie die Erforschung der Fundumstände sind in Bearbeitung. Es handelt sich um einen überlebensgroßen Porträt-Kopf aus weißem Marmor, wobei lediglich die Gesichts- und vordere Halspartie aus dem

Steinblock herausgearbeitet wurden. In der Gestaltungsweise ähnelt die Plastik dem oben beschriebenen Romanichel.

Dargestellt ist der Kopf einer männlichen Figur mit geschlossenen Augen und

aufgerissenem Mund.

Nun soll erforscht werden, worum es sich bei dem abgebildeten Porträt handelt und wann es entstanden sein könnte. Es ist anzunehmen, dass die beiden wiedergefundenen Skulpturen vergraben wurden, als die amerikanischen Besatzungstruppen das Gelände aufräumten.


Beide Objekte sind ab sofort bis zum 15. Januar 2021 im Kunsthaus Dahlem zu sehen (mit Unterbrechung durch einen Ausstellungsumbau vom 19. bis 30. Oktober 2020). Käuzchensteig 12, 14195 Berlin. T + 49 (0)30 8312012 | www.kunsthaus-dahlem.de

Mittwoch – Montag 11 – 17 Uhr.


Redaktionelle Berichterstattung ohne Auftrag / keine bezahlte Werbung.


Fotos: Gunter Lepkowski, VG-Bildkunst Bonn


Foto Kunsthaus Dahlem: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:BrekerAtelier.jpg#mw-jump-to-license


Foto Arno Breker: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Arno_Breker_werkend.jpg#mw-jump-to-license

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