Vorne Arie, hinten zusammengeschraubtes Sperrholz. So funktioniert die wunderbare Scheinwelt der Oper. Kunst und Kulisse sind siamesische Zwillinge, die die Illusion und Faszination der Oper ausmachen.
Die Bilddokumentation "Intermezzo", 2019 als eBook im artesinex eBook publishing Verlag erschienen, greift den scheinbaren Widerspruch auf und setzt ihn mit Backstagefotografien aus der Deutschen Oper Berlin in ein besonderes Licht.
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Die Berliner Künstlerin Rengha Rodewill hat mit der Kamera bereits 2009 in atmosphärischen Fotos verborgene Welten hinter der Bühne der Deutschen Oper Berlin erforscht. Die Bilddokumentation ist mit Gedichten der ostdeutschen Schriftstellerin Eva Strittmatter vernetzt, die in ihrer bildgewaltigen Dichtung den eindrücklichen Aufnahmen aus dem energetischen Herzstück des Opernhauses eine eigene geheimnisvolle Sprache verleihen.
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Gesang, Kulisse, Musik, Theater, Licht, Tanz - Rengha Rodewill hat wiederkehrende theatralische Motive in Strittmatters Gedichten entdeckt. Die Fotografien korrespondieren mit Strittmatters Lyrik, Strittmatter selbst spricht in einem Vorwort zur Print-Veröffentlichung des nun vorliegenden erweiterten eBooks von "Requisiten des Glücks" und von der Oper als "Einbruch des Schicksals" und so steht die unvorhersehbare und geglückte Verbindung ihrer 51 ausgewählten Gedichte mit den athmosphärisch-eindringlichen Fotografien für sich selbst. 2010 wurden die Fotos in der Deutschen Oper erstmals gezeigt. Wer sich mit Rengha Rodewill auf die Reise hinter die Kulissen einlässt, findet sich in einer anderen Welt wieder. Die Illusion der Zuschauerperspektive ist aufgelöst und zeigt die Rückseite des dramatischen Scheins. Vorne singt Tosca, hinten sind beschriftete rohe Holzwände ineinander verschraubt. Auf der Probebühne schaffen zusammengewürfelte Requisiten und Möbel Arbeitsatmosphäre.
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Die Backstage-Fotos und Einblicke in die Kostüm- und Kulissenwerkstatt, das Dekorationslager, den Malsaal oder die Tischlerei des Opernhauses, wie sie zum Zeitpunkt der Aufnahmen 2009 noch existierten, bergen überdies eine weitere Dimension. Nach Zusammenlegung der Werkstätten aller drei Berliner Opernhäuser unter dem Dach der Stiftung Oper in Berlin 2011, existiert dieses hier abgebildete kreative Kernstück der Deutschen Oper Berlin inzwischen nicht mehr. Die Fotos Rodewills dokumentieren so auch ein Stück Berliner Theater- oder Operngeschichte.
2021 wird das Gebäude der Deutschen Oper Berlin an der Charlottenburger Bismarckstraße 60 Jahre alt. Es wäre eine Bereicherung, diese Fotos im Original-Format in einer separaten Ausstellung zu sehen. Als Ort bietet sich das Museum Villa Oppenheim in Charlottenburg an. Hier wird die Bezirksgeschichte Charlottenburgs dokumentiert.
Intermezzo, Rengha Rodewill/Eva Strittmatter, Fotos und Gedichte im Licht der Deutschen Oper Berlin, eBook, artesinex eBook publishing, 2019
www.artesinex.com
Hinweis zur Verwendung der Fotos in diesem Beitrag: Alle Fotos by Qultur Berlin, die Motive haben Beispielcharakter und stehen in keinerlei Zusammenhang mit der vorgestellten Veröffentlichung
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