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Wagner mit Parkschein


Die Deutsche Oper Berlin ist wieder am Start: Mit Wagners "Rheingold" auf dem Parkdeck




Als erstes der drei Berliner Opernhäuser ist die Deutsche Oper Berlin wieder mit einer Aufführung vor Publikum an Deck gegangen! Am 12. Juni begann dort knapp 100 Tage nach der letzten Aufführung im Haus der Spielbetrieb nach der Pandemie-bedingten Schließung der Theater, Konzert- und Opernhäuser in Berlin wieder. Gezeigt wird in einer ersten Open-Air-Aufführungsserie eine halbszenische, knapp zweistündige Kammerfassung von Richard Wagners Oper „Das Rheingold“. Die Deutsche Oper Berlin  zeigt Wagners Werk in einer schnell eingerichteten halbszenischen Aufführung unter freiem Himmel. Wotan und Co. singen und spielen auf dem Parkdeck des Opernhauses. Dies war unter dem jetzigen Leitungsteam bereits 2014 Schauplatz der Oper „Oresteia“ von Jannis Xenakis. Der Spielort erinnert überdies an die legendäre Uraufführung von Wilhelm Dieter Sieberts Wandel-Oper „Untergang der Titanic“ 1978, wo die Titanic am Ende auf dem Parkdeck unterging und Sänger in Rettungsbooten von Statisten durch die Zuschauer-Menge getragen wurden. Die Schlusschöre „Tot und ertrunken“ in der ausgeleuchteten tristen Beton-Szenerie sind in eindrücklicher Erinnerung.



Hätte also nicht das Corona-Virus seinen eigenen Ring um die Welt gezogen und den Spielbetrieb lahmgelegt, hätte an diesem Abend mit dem "Rheingold" der Auftaktabend der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in einer kompletten Neuproduktion im Opernhaus an der Bismarckstraße Premiere feiern können.


Das lang geplante Projekt in der Inszenierung von Stefan Herheim hätte hier den ersten Schliff und Berliner und internationale Opernfreunde hätten den Beginn eines neuen Ring-Zyklus zu sehen und zu hören bekommen.

Nun erobert sich die Deutsche Oper übergangsweise mit weniger Mitwirkenden und unter freiem Himmel das "Rheingold" zurück. Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Donald Runnicles und in einer szenischen Einrichtung von Spielleiter Neil Barry Moss präsentieren 22 statt 80 Musiker*innen und 12 Sänger*innen auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin eine Version, die Abstands- und Hygieneregeln wahrt. Als „Wunder“ und „Meisterwerk der Nachschöpfung“ bejubelte die britische Presse diese komprimierte Fassung, die unter dem Titel „The Ring Saga“ 1990 entstand.



Gespielt wird also 110 Minuten ohne Pause vor 175 Zuschauern, die am Anfang erwartungsfroh-gespannt und am Ende der Aufführung mit frenetischem Applaus den Neustart und das gesamte Ensemble lautstark feiern. 


Zwei Hürden wurden für die aktuelle kurzfristig angesetzte Aufführungsserie im Sturm, d.h. innerhalb von drei kurzen Wochen genommen: die Zustimmung des Senats zum Sicherheitskonzept in Pandemie-Zeiten und die Genehmigung, die besondere verknappte musikalische Fassung des britischen Komponisten Jonathan Dove aufzuführen. Zehn Tage vor der ersten Aufführung wurden die Genehmigungen erteilt. Zum Glück, denn Spielleiter Neil Barry Moss und das junge Ensemble der Deutschen Oper Berlin präsentieren gut gelaunt, mit Spiellaune und Leichtigkeit Wagners Musikdrama als Soap Opera von hohem Unterhaltungswert, musikalisch klangtransparent und aufmerksam unterstützt vom Orchester unter der Leitung von GMD Donald Runnicles.



Strafrechtlich und moralisch betrachtet ist das „Rheingold“ schon an sich eine Katastrophe. In knapp zwei Stunden entrollt es mit Raub, Mord, Betrug, Vertragsbruch, Entführung und Geiselnahme ein Panorama menschlicher Grausamkeit. Neil Barry Moss hat daraus jedoch leichthändig eine Grundsatzparabel über das Theater in Corona-Zeiten gemacht. Habgier im Stück wird zur Sehnsucht nach Theater- und Aufführungsalltag. Hier hat ein Virus dem Publikum die Aufführung, Wagner die Musik – der Ring ist hier die Partitur – und den Künstlern die Arbeits- und Auftrittsmöglichkeit geraubt. Coronagold statt Rheingold. Und so sind auf der Treppe, die von der Orchesterrampe hoch über dem Parkdeck auf ein Aufführungspodest hinunterführt, auch vereinzelte, wahllos aus dem Fundus zusammengesuchte Requisiten, Kostümteile und Versatzstücke verteilt, die vom Ensemble spielerisch bei passender Gelegenheit genutzt werden. Auch Richard Wagner ist als Statue mit Maske anwesend. 


Das spielfreudige hochkarätig aus dem eigenen Haus besetzte junge Ensemble kostet den ungewöhnlichen Spielort voll aus. Am Ende ziehen die Götter über die Rampe in die ans Parkhaus grenzende Wallhall-Werkstatthalle ein. Goldfolienkanonen schießen Glitzerschlangen ins Publikum, das mit anhaltendem Applaus antwortet.



Und der ungewöhnliche Spielort fördert noch einen weiteren Schatz zutage. Wenn sich am Ende die Werbefahnen mit den Titeln des Opernrepertoires aus den Fenstern des Verwaltungstraktes entrollen und so an die Corona bedingten Vorstellungsausfälle im Haus erinnern, lenkt das die Aufmerksamkeit auf die Geschichte des Opernhauses. An der Längsseite zur Richard-Wagner-Straße befindet sich heute der Verwaltungstrakt der Deutschen Oper. Dort steht noch ein Teil des nicht zerstörten ursprünglichen Baus der 1912 dort erbauten Charlottenburger Oper. Die Verzierungen an den Fensterbrettern und die säulenartigen Reliefs zwischen den Fenstern gestatten noch einen kurzen Blick in die Bau-Historie des Opernhauses.





Vorstellungen "Rheingold" am 20. und 21. Juni und am 21., 22. und 23. August 2020. Pro Person sind 1-2 Tickets buchbar im Internet, telefonisch und an der Theaterkasse der Deutschen Oper Berlin. Gebühr: 5 Euro, nach der Vorstellung wird einem „Pay what you want“-Konzept folgend um freiwillige Beiträge gebeten.


Karten:  +49 (30) 343 84 343


info@deutscheoperberlin.de



Mit Derek Welton (Wotan), Padraic Rowan (Donner), Thomas Blondelle (Loge), Philipp Jekal (Alberich), Andrew Harris (Fasolt), Tobias Kehrer (Fafner), Annika Schlicht (Fricka), Flurina Stucki (Freia), Judit Kutasi (Erda), Elena Tsallagova (Woglinde), Irene Roberts (Wellgunde) und Karis Tucker (Floßhilde).



Fotos Szene und nächtliches Parkdeck: Bernd Uhlig. Kontakt: bernd.uhlig.fotografie@t-online.de


Sonstige Fotos: Qultur Berlin


Redaktioneller Beitrag von facebook.com/qulturberlin / keine bezahlte Werbung

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