top of page

Wer war Rosa Schapire? Das Brücke-Museum in Dahlem macht sich ein (neues) Bild

Dort wo Bussard und Habicht sich gute Nacht sagen, am Rande des Grunewalds, herrscht eine geballte Ladung Kunst. Zwei Kunsthäuser schmiegen sich an den Waldrand. Das Kunsthaus Dahlem mit großem Skulpturengarten liegt direkt um die Ecke des Brücke-Museums.

Dieses Museum, den Gestaltern der Kunstvereinigung Brücke gewidmet, wurde maßgeblich initiiert durch den Maler Karl Schmidt-Rottluff, der seit 1947 als Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg wirkte und mit einer großzügigen Werkschenkung den Grundstock für die Kunstsammlung legte, die das Herz des Brücke-Museums bildet. In diesem Jahr feiert das Haus seinen 55. Geburtstag. Ein besonderes Geburtstagsgeschenk konnte sich das Museum mit Unterstützung der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung und der Ernst von Siemens Kunststiftung in der vergangenen Woche selbst machen. Lisa Marei Schmidt, Direktorin des Brücke-Museums präsentierte Karl Schmidt-Rottluffs "Bildnis R.S." aus dem Jahr 1915, Öl auf Leinwand, das bisher im Privatbesitz war, als neuestes Objekt in der Sammlung des Museums.


Rosa Schapire

Porträtmalerei macht neugierig, gilt es doch die Lebenswege hinter den Porträtierten zu entdecken. Und hier lohnt es sich allemal nicht nur den Maler sondern auch sein Objekt neu zu entdecken. Das Gemälde, eines von insgesamt vier Porträts Rosa Schapires, die der Expressionist und Brücke-Künstler Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) anfertigte, zeigt die Hamburger Kunsthistorikerin Rosa Schapire (1874–1954). Sie war eine Freundin und wichtige Förderin Schmidt-Rottluffs sowie ab 1907 frühes passives Mitglied der Künstlergruppe Brücke. Schapire promovierte 1904 als eine der ersten Frauen in Deutschland in Kunstgeschichte – zu einer Zeit, in der Frauen der Zugang zu Universitäten und öffentlichen Kunsthochschulen regulär noch nicht erlaubt war. Sie war Netzwerkerin, Publizistin, Sammlerin und Wissenschaftlerin und damit früh ihren Zeitgenossinnen voraus sowie als frühe Influencerin und Kunstförderin aktiv. So gründete sie bereits 1916 – mitten im ersten Weltkrieg - zusammen mit Ida Dehmel den "Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst", dessen Ziel es war, mit privaten Spendengeldern Gemälde und Plastiken für deutsche Museen zu erwerben. Sie förderte und unterstützte die Künstler der Brücke schon früh und intensiv und pflegte einen engen persönlichen Umgang und Austausch mit ihnen. Vor allem mit Karl Schmidt-Rottluff, dessen Werkverzeichnis der Druckgrafik sie unter anderem herausgab, verband sie seit 1908 eine enge Freundschaft. Schmidt-Rottluff stattete ihre Wohnung im dritten Stock in der Hamburger Osterbekstraße 43 aus, in der sie seit 1908 lebte, und baute dafür Möbel. Für sie entwarf er außerdem Kleidung und Schmuckstücke. Erhalten ist auch ihre Sammlung von mehr als hundert von den Künstlern gestalteten Postkarten. Zu ihrem 50. Geburtstag 1924 erhielt sie acht bemalte Postkarten der „Brücke“-Künstler.

1939 musste die jüdische Sammlerin Schapire nach London emigrieren, wo sie ihre Bemühungen für den Expressionismus fortsetzte. Aus Deutschland gerettet hatte sie nur ihre Schmidt-Rottluff-Sammlung und die Künstler-Postkarten. Rosa Schapire starb 1954 in der Londoner Tate Gallery, in der sie eine kleine Anstellung zur Sicherung des Lebensunterhalts im Exil gefunden hatte, in der Nähe der Schmidt-Rottluff-Bilder, die sie dem Museum überlassen hatte.


Das jetzt per Auktion vom Brücke-Museum erworbene Gemälde von 1915 ist ein zentrales Werk Schmidt-Rottluffs aus der Schaffensperiode vor seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg. Das Porträt Rosa Schapires gehört zu einer Reihe von Bildnissen des Jahres 1915 u. a. Auch von Lyonel Feininger, in denen sich Schmidt-Rottluff intensiv mit der Charakteristik und den Stilmitteln von Holzskulptur und ethnografischer Plastik beschäftigte.

Buy one - get two Als besonderes Plus findet sich auf der Rückseite der Leinwand eine von Schmidt-Rottluff in Öl gemalte Landschaftsansicht der Kurischen Nehrung aus dem Jahr 1913.

Nicht nur Rosa Schapire war dem Künstler sehr zugetan, sondern auch der frühere Besitzer des Bildes, der Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer. Niemeyer war ein Freund und Unterstützer Schmidt-Rottluffs und gab mit Schapire zusammen die wichtige expressionistische Zeitung "Kündung" in Hamburg heraus. Niemeyer hat das Gemälde direkt vom Künstler erworben, es befand sich bis dato im Familienbesitz. Lisa Marei Schmidt, Direktorin des Brücke-Museums: „In diesem Werk kommt auf ganz besondere Weise eine außergewöhnliche kunsthistorische Qualität mit einer sehr persönlichen Darstellung und berührenden Werkbiografie zusammen. Es ist eine großartige Erweiterung unseres Sammlungsbestandes.“

Die Direktorin kündigte an, dass eine Ausstellung zu Frauen im Umfeld der Brücke-Künstler in Planung sei. Rosa Schapires Porträt dürfte bildnerisches Herzstück dieser Schau werden, ihre Netzwerkarbeit, simd doch ihre Künstlerförderung und ihr Lebensweg mit Bildern ein wichtiges Zeitzeugnis zu Künstler-Mäzen-Beziehungen und Kunst-PR in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Neben dem Gemälde konnte die Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung zwei Holzkästchen und ein Kissen für das Museum erwerben. Auch diese Objekte von Karl Schmidt-Rottluff stammen aus dem Familienbesitz der Nachfahren von Wilhelm Niemeyer. Es handelt sich um Objekte, die Schmidt-Rottluffs intensive Beschäftigung im Bereich des Kunsthandwerks verdeutlichen, sie spiegeln auch das Ausstattungswerk des Künstlers wider, das mit der Ausgestaltung von Rosa Schapires Hamburger Wohnung einen leider nicht erhaltenen Höhepunkt erfuhr. Die grün gestrichenen Wände, selbstgebauten bunten Möbel, Kakteenregale wurden 1939 bei einem Brand zerstört.


Brücke-Museum

Bis 11. August zeigt das Brücke-Museum derzeit die Ausstellung "Flucht in die Bilder? Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus". Das Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen zur expressionistischen Künstlergruppe Brücke weltweit. Neben Arbeiten der Gründungsmitglieder der Brücke Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl, finden sich Werke späterer Brücke-Mitglieder wie Otto Mueller, Emil Nolde, Max Pechstein, Cuno Amiet und Franz Nölken. Die Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafiken und Druckstöcke, Skulpturen sowie kunsthandwerklichen Objekte der Brücke-Künstler gewähren intensive Einblicke in ihre gesamte Schaffenszeit – auch über das Bestehen der Künstlergruppe von 1905 bis 1913 hinaus.


Brücke-Museum

Bussardsteig 9 14195 Berlin

Öffnungszeiten Mittwoch bis Montag: 11–17 Uhr Dienstag: geschlossen

www.bruecke-museum.de


Fotos: Pressestelle Brücke-Museum und Qultur Berlin

Motive: Karl Schmidt-Rottluff, Bildnis R. S., 1915, Öl auf Leinwand, Brücke-Museum, erworben mit Unterstützung der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung und der Ernst von Siemens Kunststiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2019


Karl Schmidt-Rottluff, Landschaft (verso von Bildnis R. S.), 1913, Öl auf Leinwand, Brücke-Museum, erworben mit Unterstützung der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung und der Ernst von Siemens Kunststiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Karl Schmidt-Rottluff, Holzkasten, farbig gefasst, 1910/11, Fichtenholz, Brücke-Museum, Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

102 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page